Alter Sessel, Oberfläche

gleiter

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Grüßt Euch!

Ich habe einen alten Sessel zum Reparieren bekommen.

Beim Versuch heraus zu finden welche Farbe verwendet wurde habe ich eine kleine Überraschung erlebt:

Wasser, Spiritus, Aceton, Nitroverdünnung - jedes Mal nimmt der Fetzen die schwarze Farbe auf, am stärksten noch bei der Nitroverdünnung.

Was könnte das gewesen sein?

Das Leder scheint recht dick, ist recht grob in der Zeichnung und kann weiter verwendet werden.

Gibt es da ein besonderes Werkzeug um die Nägel entfernen zu können ohne dass das Leder leidet? Die Nägel können ruhig beschädigt werden, da kommen Neue.

Vielleicht könnt Ihr anhand dieses Bildes auch ein ungefähres Alter dieses Sessels fest stellen?

Gebaut ist der Sessel aus Buche (Streben in Fichte), Schlitz- und Zapfenverbindungen, sowie auch Runddübel ohne Riffelung.

Und generell: Bitte um Literaurempfehlungen zum Bestimmen von Stil und Alter von Möbeln, vielleicht gibt es da ja ein paar Standardwerke.

Dank und Gruß, André.
 

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pedder

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Gibt es da ein besonderes Werkzeug um die Nägel entfernen zu können ohne dass das Leder leidet? Die Nägel können ruhig beschädigt werden, da kommen Neue.

Hallo André such mal nach Nageleisen oder Nagelheber. Da gibt es reichlich Auswahl.

Liebe Grüße
Pedder
 

R.M.S

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1000 Chairs herraus gegeben vom Taschen Verlag.
Da gibt es Stuehle vom Jugendstil bis heute. Kostet 9,99. Hab ich auch und war mir schon das ein oder andere mal hilfreich.

Zum Alter wuerd ich nach dem Foto ganz klat Jugendstil sagen. Also Ende 19. Anfang 20.Jahrhundert. Kann natuerlich auch ein Nachbau sein. Wobei das Leder schon sehr alt aussieht. Schau doch mal nach Verarbeitungstechnicken am Objekt. Also Werkzeugspuren (Saegeschnitte etc.), welche Art von Leim (Knochenleim, Fischleim usw.) Schau mit hilfe einer Schwarzlichtroehre nach den Oberflaechenaufbau. Evtl. findest du Schelack unter den anderen Schichten. Leuchtet orang im Schwlicht.
Such einfach nach alterstypischen Arbeitstechnicken und Materialien. Anhand dieser kannst du dann schon ganz gut dass Alter bestimmen. Und damit Original von Nachbau unterscheiden.


mfg
 

welaloba

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Hallo Andre, ohne "Not" würde ich das Leder nicht abnehmen. Dann müsste der Sessel (Bj. m.E. 1901 - 1919) schon sehr marode sein. Die Farbe ist evtl. Wachsbeize. Diese kenne ich als sehr hartnäckig. Wahrscheinlich willst du das Leder (eventuell auch Kunstleder - habe eben was ähnliches in der Hand gehabt - die Prägung sah da recht gleichmäßig aus) abnehmen, um intensiv das Holz zu reinigen?
Beim Verleimen auf jeden Fall tierischen Leim verwenden (Fischleim oder Knochenleim)
Ansonsten: Wenn das Leder wieder drauf soll, ist das Entnageln immer sehr mühsam, also einzeln mit feinem Schraubendreher drunter, beim Hebeln das Holz schützen, vorsichtig mit Seitenschneider rausziehen. Wie gesagt, immer mühsam. Dann müsste nachher das Leder so positioniert werden, dass neue Nägel mit etwas längeren Stiften in die alten Löcher kommen können.
Gruß Werner
 

Wild

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mir hat ein Sattlerfreund mal sowas geliehen für die enfernung von Polsternägeln.
polsterwerkzeug1.png
wo man das herbekommt weiß ich auch nicht. Der vorteil an dem mini Geisfuß ist das man das Holz nicht beschädigt.
 

gleiter

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Danke Euch.

Ein Minigeißfuß aus dem Polsterer/Sattler Zubehör, so was brauche ich also.

Zumindest im Sitzbereich muß die Lederdecke runter - das gehört neu aufgepolstert. Mit einem Schraubendreher hab ich auch schon die ersten Nägel entfrent - wie nicht anders zu erwarten ist das sehr mühsam, zudem reissen fast alle Kappen ab. Ist nicht weiter tragisch, das Leder ist gute drei mm stark, wenn's dann runter ist sollten die Reste leichter zum Ziehen sein.

Zum Thema Wachsbeize hab ich mich erst mal kundig machen müßen, das wird auch noch lustig.

Neuaufbau will ich mit Fischleim machen.

Noch eine Frage zum Oberflächenneuaufbau: Eine schwarz eingefärbte Schellackpolitur wäre in etwa zeitgemäß? Oder ist das nichts für einen Sessel?

Dank und Gruß, André.
 

welaloba

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Hallo Andre, wenn der Sessel vorher schwarz war und wieder schwarz werden soll, würde ich die abgeriebenen Stellen wohl nach gründlichem Entfetten erst mit Wasserbeize (mit Salmiakzusatz) passend nachbeizen. Dann kannst du immer noch schwarzen Schellack verwenden. Mit eingefärbtem Schellack allein würdest du wohl nicht glücklich werden, das brauchte m.E. zu viele Schichten bis schwarzdeckend. Letzte Schicht Schellack wenns geht nicht einfärben, kann man spritzen, dann ist das Polieren nicht so schweinös - will sagen, der Ballen wird nicht so schwarz.
Gruß Werner
 

R.M.S

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dem schliesse ich mich an. die sauberen entfetteten stellen mit einer im richtigen farbton eingestellten beize behandelt und den schellack zum finish der oberfläche schön mit einem ballen einpolieren. ich würde den schellack auch nicht einfärben. nimm besser ein stück buche und versuch dich daran aus bis du den richtigen farbton der beize hast.
 

gleiter

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Beize - ein guter Tipp, Danke.

Wobei - warum nicht gleich eine Spiritusbeize nehmen, ist die nicht besser geeignet?

Gruß, André.
 

massa999

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hier in Österreich sagt man Wagner-Sessel dazu. Hab früher zig solcher Sessel hergerichtet zum verticken. Waren(wurden) immer schwarz. Bei grossen Schäden einfach immer schleifen bis gut. Dann Spiritus-Beize und dann Wichs-Politur.

Geissfuss wurde schon erwähnt.
Ich hatte da damals versch. Messing-Ziernägel in versch. variationen lagernd. Gibts aber sicher ganz günstig neu.

So war das in den 70ern.

Grüsse, Johann
 

gleiter

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Hochheb.

Danke für die Tips, der Tapezierer im Ort war so freundlich und hat mir zwei passende Geissfüße geliehen. Einfach war das Nägelziehen dennoch nicht weil größtenteils fest gerostet, aber nun ist es geschafft.

Ein Malheur allerdings ist mir geschehen - ich habe einen ca. 3 cm langen Riss ins vordere Eck der Sitzflächenbespannung geschafft. :mad:

Ich würde nun mit Weißleim den Riss kleben, natürlich darauf achten dass die beiden Teile "richtig" rum aufgelegt werden - beim Trockenanlegen ist der Riss danach kaum noch zu sehen - und nach dem Trocknen von der Unterseite ein Stück z.B. festen Leinenstoff unterkleben, ebenfalls mit Weißleim.

Gut? Nicht gut?

Bessere Ideen?

Dank und Gruß, André.
 

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gleiter

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Danke, Werner.

Hab's eh' so gemacht, den Flicken allerdings mit Pattex, und nicht mit Weißleim, verklebt weil's ja doch flexibler bleiben soll.

Eine heftige Reinigungsattacke mit Sattlerseife sowie zweimaliges Einlassen mit Lederfett haben der Verbindung (bis jetzt) keinen Schaden zugefügt.

Gruß, André.
 

gleiter

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work in progress...

Bin nun beim Neuaufbau.

Der Tip mit dem Beizen war sehr gut, danke schön. Spart deutlich viel Polierarbeit.

Winzige Risse will ich mit Wachskitt schliessen. Geht das gut in Verbindung mit einem Schellackaufbau?

Eine weitere Frage: Wenn Ihr mit Fischleim arbeitet, was macht Ihr denn mit herausquellendem Kleber oder Spritzern rund um die Klebestelle?

Gleich mit einem nassen Fetzen weg wischen oder trocknen lassen und dann mit einem scharfen Eisen abheben?

Dank und Gruß, André.
 

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welaloba

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Guten Morgen, gleich wischen ist auf jeden Fall besser als später abstechen. Es gibt nat. Stellen, an die kommst du wegen Zwingen oder Gurt nicht ran. Da geht auch geduldiges Weichmachen mit etwas warmem Wasser : Versuch macht kluch
Gruß Werner
 

R.M.S

ww-fichte
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Leim am immer besten sofort abwischen, das ist klar.
Sollte es eine Stelle geben an die du nicht ran kommst und der Leim ist nachher fest, kannst du folgendes machen. Nicht drauflos stemmen und versuchen den Leim ab zustechen.
Du nimmst dir etwas Tapezierleim, rührst dir den schön dick an und trägst den dann fett auf die Stellen auf an dem die Leimreste sind. 10-20 Muniten warten und du kannst den Leim abwischen.
Klappt super, wirst sehen.

Grüße
 

fritz-rs

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Winzige Risse will ich mit Wachskitt schliessen. Geht das gut in Verbindung mit einem Schellackaufbau?
Dank und Gruß, André.

Wachskitt ist die simple Art der Korrektur und nur an unbeanspruchten Stellen richtig.
Die bessere Lösung sind farbige Schellackstangen, die man mit einem Lötkolben verflüssigt und in die Fehlstellen träufeln kann.
Wachskitt läßt sich allerdings leichter auf die richtige Farbe mischen.

Gruß Fritz
 

Egon52

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Ein Heißluftfön, vorsichtig und punktgenau eingesetzt, tut auch hier seine Dienste.
Gruß Reiner
 

fritz-rs

am 7.9.2016 verstorben
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Ich habe jetzt hier mehrfach die Empfehlung gelesen, Fischleim zu verwenden.
Den hatte ich bisher nur bei den Buchbindern gesehen.
Für Holz war der in meinem Bereich nicht vorgesehen.
Nachgesehen habe ich nun mal bei Kremer-Pigmente und da war eine Schmelztemperatur von 5-10°C genannt.
Wie kann man in unsere Breitengraden mit einem so wärmesensiblen Leim arbeiten.
Wer klärt mich auf???

Gruß Fritz
 

gleiter

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Du nimmst dir etwas Tapezierleim, rührst dir den schön dick an und trägst den dann fett auf die Stellen auf an dem die Leimreste sind. 10-20 Muniten warten und du kannst den Leim abwischen.
Klappt super, wirst sehen.

Hab's gesehen - funzt in der Tat 1 A. Erstaunlich.

Hab' aber auch bemerkt dass der heraus gequollene Leim nach dem völligen Durchhärten so hart ist dass er sich sehr leicht mit einem scharfen Eisen weghebeln läßt.

Dieses dermaßen hart werden des Leimes läßt mich allerdings etwas bange werden - wie werden sich denn die Verbindungen verhalten wenn sie - nolens volens - einer ständigen Querbelastung ausgesetzt sind?

@ Fritz: Auf den Fischleim bin ich auch erst über dieses Forum gekommen, einheitliche Meinung war dass es sich hier um den stärksten "Naturleim" handelt.
Schmelztemperatur von 5-10°C
würde, wenn ich das richtig verstehe bedeuten dass bei dieser Temp. der Leim weich wird? Nun denn - meine Erfahrung diesbezüglich: Unter ~ 16° C brauche ich nicht mal dran denken eine Verleimung vorzunehmen, der Leim ist da schlicht zu patzig zum g'scheiten Applizieren. Ab + 20° C geht das schon deutlich besser. Und dann noch gute 24 Stunden unter Druck aushärten/trocknen lassen ist sicher kein Fehler.

Ist aber Neuland für mich, lange Erfahrungswerte fehlen.

Gruß, André.
 

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TinaRestauro

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Der Vorteil vom Fischleim ist, dass er sich kalt verarbeiten lässt und man (gerade bei Stühlen) mehr zeit hat zum Verleimen. Fischleim wird auch gerne in der Baudenkmalpflege eingesetzt, natürlich nur im Innenbereich. Bei mir z.B. kürzlich bei der Restaurierung eines barocken Laiengestühls in einer Kirche.

@Gleiter: Versteh mich nicht falsch, aber irgendwie wirkt die schwarze Oberfläche etwas Violett. Das ist gerade bei schwarzen Beizungen häufig das Problem. Das lässt sich vermeiden, wenn man erst mit roter Beize vorbeizt, bzw. etwas Rot in die schwarze Beize einmischt. Kann aber auch nur am Foto liegen
 

R.M.S

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Schmelztemperatur ist die Temperatur an der der Leim in einen flüssigen Zustand wechselt.
Ich beware meine immer im Kühlschrank auf. so bleibt er frisch. Wenn ich ihn raus nehme ist er fast hart. Dann 15 min warten bei Raumtemperatur und er ist einsatzbereit.
Aber er brauch tatsächlich seine 24 Stunden Pressdruck um anständig abzubinden.

Zu der Festigkeit des Leims bei querbelastung kann ich nur sagen, überleg einfach mal wieviel Jahre der Stuhl, ein Tisch oder welches Möbel auch immer schon gehalten hat. Für mich einer der besten Leime. einfach aus dem Grund das er sich schon mehr als hundert Jahre bewährt.

Da hat Ponal noch etwas vor sich :emoji_slight_smile:
 

gleiter

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Gut, paßt. Ihr habt ja recht - warum soll jetzt plötzlich was Altbewährtes nimmer funzen? :emoji_grin:

@ TinaRestauro: Das schaut nur so aus, Kunstlicht und Blitz. Dennoch danke für den Tip mit dem Rotbeizen, dass ist nun auch die Antwort auf eine bereits seit vielen Jahren zurück liegende Reparatur an einem Möbel wo neben dem Schwarz eben auch rote Beize aufgetragen war.

In diesem Fall kommen eh' noch ein paar Lagen schwarz gefärbte Politur drüber, das Schwarzbeizen macht das Ganze halt sicher einfacher und vor Allem schneller zu erledigen (hoffe ich mal :emoji_wink:).

Gruß, André.
 

gleiter

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Hab' ein bißl herum experimentiert: Fischleim, mit ganz wenig Wasser verdünnt, feinen Schleifstaub eingearbeitet bis es in etwa festere Zahnpastakonsistenz hatte, und - weil hier passend - auch noch mit Nigrosin eingefärbt.

Ergibt eine tolle Spachtelmasse für die feinen Risse, trocknet erstaunlich schnell, Überstände lassen sich entweder beischleifen oder auch mit einem sehr scharfen Eisen abziehen.

Hab' vermutlich das Rad nicht neu erfunden :emoji_grin:, oder gibt es doch Einwände?

Gruß, André.

P.S.: Politur auf so einem Sessel aufbringen - mit all' den Ecken und Leisten und Engstellen - das ist mit einem Ballen unmöglich. Was macht Ihr in so einem Fall?
 

welaloba

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Leisten bzw. Sprossen - wo das geht, vor dem Zusammenbauen polieren. Sonst ganz vorsichtig mit ganz feinhaarigem Pinsel Petersburger Lack auftragen, diesen evtl. mit wasserfreiem Alkohol etwas verdünnen. Vorher woanders üben. Ist nicht so ohne. Lange trocknen lassen.
Kanten am übernächsten Tag beipolieren.
Den Fischleimkitt hab ich auch mal probiert, das ging bei mir garnicht. Das funktioniert bei mir nur mit Kochen- bzw. Hautleim. Das wird dann aber hart wie Granit.
Gruß Werner
 
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