Seien wir doch mal ehrlich: solches Werkzeug in dieser Preisklasse wie der Hobel für 1000 € braucht niemand ernsthaft, und dass solche Dinge überhaupt eine Chance auf dem Markt haben, setzt voraus, dass genügend dummes Geld bei den Menschen, die ich zu den Marketingopfern zähle, dafür vorhanden ist und ein geschicktes Marketing Wünsche produziert, die sonst nicht existierten.
Den Preis einer Ware als Distinktionsmerkmal herauszustellen funktioniert mit viel Werbetamtam sonst eher bei Parfüms, Weinen, Whiskeys, bei Modeklamotten, Autos und vielen weiteren Sachen, doch kein Mensch mit gesundem (Selbst-)Wertgefühl braucht diesen Kram, um sich damit zu definieren und aufzuwerten, geschweige denn zum Arbeiten an und mit Holz.
Wenn ich so sehe, welche unglaublichen Leistungen Tischler vor 200 oder mehr Jahren ohne diesen ganzen Bläh-und Vooddoo-Schnickschnack mit einfachen, aus heimischen Hölzern und lokalen Stählen gefertigten Werkzeugen wie Hobeln, Schmiegen, Stecheisen und Sägen zustande gebracht haben, kann ich nur demütig werden vor deren Leistung und Können.
Diese Tischler haben unvergleichliche Meisterstücke gefertigt, von denen noch heute viele in Museen oder Privathäusern stehen, und mir kommt immer wieder der Gedanke, dass heute statt handwerklichem Können, Geduld und Anspruch an die eigene Arbeit eher die völlig überzogene und unnötige, selbstverliebte Aufrüstung des Hobbyhandwerkers zählt. Was dabei rauskommt, ist selten beachtenswert, oft peinlicher Ramsch und der Müll von morgen, besonders in den USA wird mit solch extrem teurem Werkzeug selten viel profaner Mist gebaut, die Zeitschriften (FWW) und Videos (YT) sind voll davon.
Ich war im Februar dieses Jahres in Berlin zu Besuch in einer Ausstellung namens 'Inside Out- Einsichten in die Möbelkunst', darin wurde ein Sekretär des bayerischen Tischlers Johann Schneevogel von 1830 ausgestellt, soweit möglich in seine einzelnen Bauteile zerlegt. Ich habe mich stundenlang um die Vitrinen gedrückt, bin so nah rangegangen wie irgend möglich- vor solcher perfekter Arbeit, mit einfachen Manufakturwerkzeugen hergestellt, muss ich mich dreimal verbeugen. Das ist Handwerkskunst!
Oder ich erinnere an heute noch beeindruckend modern wirkende Möbel des späten 18. Jahrhunderts aus der Werkstatt David Röntgens, die mit den Werkzeugen der Zeit um 1780 hergestellt wurden, aber heute noch durch ihre einmalige Perfektion schwer beeindrucken.
Und zwar ohne das ganze Blingbling, südostabchasische Wasserabziehsteine mit 80.000er Körnung, vergoldete Hobel für 1000 Piepen, Tazai-Eure-Omi-Stechbeitel für 800, Fuchsschwanzsägen für 400, oder Chichirotzyu Anreißmesser für nur 500 Mäuse....das ist pervers.
Früher zählte die Ausbildung, das Wissen und Können des Handwerkers, das Werkzeug war Mittel zum Zweck.
Heute ist das Werkzeug eine heilige Kuh, quasireligiöser Fetisch für den Besitzer, die damit erzielten Ergebnisse eher zweitrangig.
Ich jedenfalls habe nur für mich einen eher mitleidigen Blick auf die Hersteller und Abnehmer solcher Werkzeuge wie sie im ersten Beitrag verlinkt sind.
Edit: hab noch einen
Film zu dem Möbelstück gefunden, der die Oberfläche des Meisterstückes zeigt-wirklich sehr beeindruckend. Für mich waren die Details der Verarbeitung des Inneren viel beeindruckender, die Verbindungen, die Holzauswahl, die Zinken, die perfekt von Hand ausgehobeltem dünnen Brettchen, die konkav furnierten Flächen- einmalige Handwerkskunst.