Werkzeugkiste

derdad

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Liebe Kollegen,
In einem anderen Thread hat man mich auf meine Werkzeugkiste angesprochen. Deshalb hier ein paar Bilder und eine kurze Erklärung dazu.
Als ich mich vor 10 Jahren mit meiner Sesselflechterei selbständig machte, wurde ich von Kunden auch immer wieder gefragt, ob ich nicht kleine Reparaturen durchführen könnte. Da ich mit den am Markt erhältlichen Werkzeugkisten nicht zufrieden war, plante und machte ich mir meine eigene.
Meine Grundgedanken: So klein als möglich und trotzdem die wichtigsten Werkzeuge für Reparaturen aller Art dabei. Praktisch geht vor Styling. Möglichst mit vorhandenem Abfall aus der Werkstatt. Es muss möglich sein die Kiste mit einer Hand in den 10 Stock ohne Lift zu tragen. Die Kiste soll seitlich zum Aufklappen gehen, damit ich die Hauptwerkzeuge sehe und mit einem Griff entnehmen kann. (evtl auch, während ich mit der anderen Hand noch ein Werkstück an seinem Platz halte. Erfahrung aus der Praxis!!)
Ich habe mir dann ein paar Freihandskizzen gemacht, mein Werkzeug aufgelegt, und die Hauptmaße daraus abgeleitet.
Da ich einige Systainer besaß, legte ich als Grundmaß 30x40cm fest. Die Höhe hat 34cm. (Dafür waren die Hämmer verantwortlich).
Oben wollte ich eine offene Lade in die man zwischendurch mal Werkzeug legen kann, etc. Die verbleibende Höhe wurde auf Schubladen aufgeteilt, die beidseitig ausziehbar und herausnehmbar sind. Zum Transport werden die Schubladen durch die "Flügel" der Klappseite fixiert.
Oben montierte ich 2 T-Nut Schienen in die ich die Schraubzwingen des Führungslineals schieben kann, oder auch die kleine Gehrungslade. In den Schubladen ist "geordnetes Chaos". Das heißt, das Werkzeug ist zwar immer in der selben Lade, jedoch nicht fein säuberlich in Halterungen eingelegt. Dies bringt Platz, und da ja sowieso nur ich die Kiste benutze, weiß ich auch wo ich etwas finde.
Die ganze Kiste aus 9mm Birkensperrholz, und ich glaub 6mm Buchensperrholz. Was eben gerade herumstand. Ganz pragmatisch wurde das meiste geleimt und geschraubt.
Die meisten Maße, Feinheiten, und Features sind während des Machens entstanden ohne vorher mit einem CAD-Programm jeden mm auszuplanen.
Zum Schluss hab ich die Kiste noch mit irgendeinem Möbelöl, das gerade herumstand, 1x geölt und fertig. Die Kiste tut nun schon 10 Jahre ihren Dienst ohne geschont worden zu sein. Das einzige Gebrechen war der Griff, der mir vor Kurzem ausgerissen ist. Es kam immer wieder Werkzeug dazu und ich habe ihn nicht verstärkt. Wahrscheinlich mache ich ihn neu aus Alu. Zumindest die seitlichen Befestigungslaschen. Den Griff könnte ich aus Leder umwickelten Alurohr machen. Metall als Griff mag ich nicht.
Wie beriets erwähnt, die ganze Kiste und das Werkzeug ist aus der Praxis geboren und dient der harten Praxis, und ist kein Schauobjekt.
LG Gerhard
 

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ChrisOL

ww-robinie
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Hallo Gerhard, danke für die Vorstellung. Pragmatisch und gut gelöst. Das finde ich an dem Holzwerken so praktisch.
 

bast_ig

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Servus Gerhard,
danke für die Vorstellung, Dein unprätentiöser Ansatz wirkt für "digital" sehr nahbar. Du hast bereits an anderer Stelle dazu geschrieben, wie Deine Haltung zur Sesselflechterei ist.

Magst Du auch etwas dazu sagen, wie Du dazu gekommen bist? Du scheinst auch Einblicke in historische Möbel zu haben...


Grüße
 

Helferlein

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Hallo Gerhard,
Danke für die Vorstellung deiner Werkzeugkiste.
Das ist für mich sehr interresant, auch wenn ich dieses Jahr zu Fertigprodukten gegriffen habe. Ist natürlich nicht 100% ideal, aber wer weiß...
 

derdad

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Servus Gerhard,
danke für die Vorstellung, Dein unprätentiöser Ansatz wirkt für "digital" sehr nahbar. Du hast bereits an anderer Stelle dazu geschrieben, wie Deine Haltung zur Sesselflechterei ist.

Magst Du auch etwas dazu sagen, wie Du dazu gekommen bist? Du scheinst auch Einblicke in historische Möbel zu haben...


Grüße
Ok. Ich versuche es kurz zu machen.
Ich bin in einer Tischlerei aufgewachsen und schon als Bub stand irgendwie fest, ich werde Tischler und übernehme die Werkstatt. Statt einer klassischen Lehre ging ich in Hallstatt OÖ in die damals noch Bundesfachschule für Tischlerei und Raumgestaltung, jetzt eine HTL https://www.htl-hallstatt.at/ das war eine 4 jährige Schule mit Abschluss Tischlergeselle. Neben sehr, sehr viel Werkstattstunden hatte man dort auch eine intensive theoretische Ausbildung. Ein Teil davon war auch Raumplanung, Freihandzeichnen, und Kunstgeschichte. Man bekommt in dieser Schule, gemeinsam mit der herrlichen Landschaft und dem Ort, nicht nur eine profunde fachliche Ausbildung, sondern ein gewisses Feeling für alles Schöne im und ums Holz.
Nach der Schule war ich im elterlichen Betrieb, machte zwischenzeitlich die Meisterprüfung, und übernahm 97 den Betrieb. Eine Werkstatt mit insgesamt 5 Tischlern und 1 Tischlerin. Und einem riesen Rucksack voll Schulden. Nach einigen Jahren Kampf war die Motivation dahin und ich hab die Werkstatt abgeschlossen. Gleichzeitig ergab sich die Möglichkeit als Entwicklungshelfer in meinem fachlichen Bereich nach Uganda zu gehen. Ich war zwar immer gut darin zu improvisieren und fachlich pragmatische Lösungen zu finden, in Uganda lernte ich aber noch sehr viel dazu. Man kann auch arbeiten, ohne für jeden Handgriff die passende "Festool" zu haben. Nach meiner Rückkehr fand ich in Wien, in einer Korbflechterei in der mit Blinden, Sehbehinderten, Tauben, und Taubblinden gearbeitet wird als Tischler eine Anstellung. Vorarbeiten in der Werkstatt. Tischlerarbeiten in den betreuten Wohnungen. Mann für (ziemlich) Alles. Da musste ich oft Lösungen und Hilfsmittel erfinden um den Leuten ihre Arbeit beim Flechten möglichst einfach und angenehm zu machen. Also improvisieren, einfach denken, möglichst mein ganzes Wissen im Bereich Holz, Maschinen, Hilfsmittel aus dem Hinterkopf holen. Zwischendurch holte ich die Matura nach. Nach beinahe 10 Jahren fiel ich dem Sparzwang im Sozialbereich zum Opfer und musste gehen. In Österreich gibt es die so genannte Bildungskarenz. Man wird vom Arbeitgeber für 1 Jahr freigestellt um sich weiterzubilden. Die Kosten laufen übers Arbeitsamt. Die hab ich noch mit der Behinderteneinrichtung vereinbart und hab mich für 2 Semester auf der Uni für Kunstgeschichte eingeschrieben. Ein Kunstgeschichtestudium war immer in meinem Hinterkopf, und spaßeshalber hab ich immer gesagt: "in der Pension studier ich Kunstgeschichte", In den 2 Semestern merkte ich aber, dieses Studium ist mir zu theoretisch. Zu weit weg von der Praxis. Nach Ablauf der Bildungskarenz war ich auf Arbeitssuche, jedoch war man um 2015 herum als beinahe 50jähriger Tischlermeister noch Gift am Arbeitsmarkt. Zu teuer, zu selbständig, zu dickköpfig. So reifte die Idee mit der Flechtwerkstatt. Wenig Aufwand. Wenig Bürokratie. Und Erfahrung als selbständiger Unternehmer hatte ich auch schon. Ich hab in den 10 Jahren in der Behinderten- Flechtwerkstatt zwar nicht geflochten, aber sehr viel gesehen. Und als Tischler mit hellem Köpfchen wird das wohl zu machen sein, dachte ich mir damals. Learning bei Doing. Und genauso lief es. Langjährige Tischlerpraxis, Flechterfahrung, Improvisationstalent, Freude und etwas Wissen und Erfahrung in der Möbelgeschichte, den Mut Neues zu probieren, und eine grundpragmatische Lebenseinstellung. Das macht die Sesselflechterei Stöglehner aus.
Leider kommt als Sesselflechter der künstlerisch kreative Teil sehr zu kurz. Diesen hol ich mir dann beim Malen.
LG Gerhard
 
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Martin Graf

ww-esche
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Hallo Gerhard,
vielen Dank für die Infos zur Werkzeugkiste und über deinen Werdegang. Die Kiste finde ich echt klasse und inspirierend. Und Hut ab vor Deiner beruflichen Entwicklung, die sicherlich nicht einfach war.
Ich freue mich schon auf die Dokumentation im ORF!
Gruß Martin
 

derdad

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Hallo Gerhard,
vielen Dank für die Infos zur Werkzeugkiste und über deinen Werdegang. Die Kiste finde ich echt klasse und inspirierend. Und Hut ab vor Deiner beruflichen Entwicklung, die sicherlich nicht einfach war.
Ich freue mich schon auf die Dokumentation im ORF!
Gruß Martin
Freu dich nicht zu früh. Das sind nur gaaanz wenige Minuten.
LG Gerhard
 

Martin45

ww-robinie
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Wow. Ein abwechslungsreiches Berufsleben.
Du wärst so ein Kandidat für die Sendung Handwerkskunst "Wie man ein... baut".
Und ich glaube einen guten Lehrer würdest du auch abgeben. Falls du nochmal zusperren musst oder willst, denk da mal drüber nach.
 

derdad

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Wow. Ein abwechslungsreiches Berufsleben.
Du wärst so ein Kandidat für die Sendung Handwerkskunst "Wie man ein... baut".
Und ich glaube einen guten Lehrer würdest du auch abgeben. Falls du nochmal zusperren musst oder willst, denk da mal drüber nach.
Guten Morgen!
Über den Beruf Lehrer werde ich nicht mehr nachdenken. Ich werde im kommenden Jahr 60, da denke ich über meinen Ruhestand in den kommenden Jahren nach.
LG Gerhard
 
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