Flurschränkchen "Doppelter Sonnenaufgang"

Wohnzimmerschreiner

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Hallo, hab lange nichts mehr gepostet und wollte mal mein letztes Projekt zeigen:

Gebraucht wurde ein Schränkchen unter unserem Wandspiegel im Flur, um möglichst dekorativ allerlei Krimskrams aufzunehmen. Wie bei den meisten meiner Hobbyprojekte, die ich im Wohnzimmer auf einer Miniwerkbank nur mit Handwerkzeugen angehe, sollte irgendwas Neues integriert werden. Die Entscheidung fiel auf die sogenannten japanischen Sunrise Dovetails (auch doppelter Sonnenaufgang), um auch mal eine Alternative zu den klassischen Schwalbenschwänzen auszuprobieren.

Nachdem ich mich professionell auf Youtube ausgebildet habe, war klar, dass das ganz schon fummelig wird. Man fertigt hier nicht wie sonst erst ein Schwalbenbrett an und, egal wie man hier rummurkst, den Murks dann als Vorlage einfach auf das Zinkenbrett übrtragen kann und es am Ende dann doch alles passt (es sei denn man murkst bei den Zinken weiter...). Diese japanische Zinkung reißt man auf beiden zu verbindenen Teilen gleichzeitig an, sägt und stemmt alles parallel und hofft, dass das am Ende passt. Hierfür gibt es auch keine Sägeführungen o.ä., also alles freestyle...

Diese Vorgehensweise resultiert aus den zwei Neigungen die sowohl Zinken als auch Schwalben haben (heißen die hier auch so?) und die ein rechtwinkliges Zusammenstecken der Verbindung verhindern. Man fügt die Teile dann quasi diagonal zusammen. Das führt übrigens auch dazu, dass man diese japansichen Zinken nicht sowohl an der Vorderseite als auch an der Hinterseite des Korpusses einsetzen kann. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie man das am Ende zusammensetzen soll.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ganz schon komplizierte Sache finde ich. Daher die Entscheidung erstmal nur die Scahubladen mit dieser Zinkung zu versehen und den Korpus des Schränkchens traditionell mit Schwalbenschwänzen zu zinken.

Da man die Ganze Mühe, die diese Zinkung macht, am Ende auch gut sehen sollte habe ich mir überlegt, mit kontrastierenden Hölzern zu arbeiten. Die Wahl fiel auf Schubladenfronten in Esche und Seiten in Eiche. Auf der hellen Esche zeichnen sich die dunklen Eiche-Zinken (zudem Stirnholz) sehr stark ab. Nachteil ist allerdings, dass in der Seitenansicht bei geöffneter Schublade die Stirnholz-Seite der Esche sich farblich mitunter kaum vom Längsholz der Eiche unterscheidet (manchmal mehr manchmal weniger). Habt ihr hier Tipps für schöne kontrastreiche Kombinationen? Die oft gezeigten Ahorn-Walnuss-Verbindungen sind mir eher zu aufdringlich.

Im Ergebnis bin ich schon ganz zufrieden. Der Holzkontrast gefällt mir aber nicht so wirklich und auch die japanische Zinkung ist am Ende optisch nicht unbedingt die Mühe Wert finde ich. Um die zusammenstecken zu können musste ich sehr sehr viel an gefühlt jeder Zinkenflanke nachbessern. Man kommt da aber nur schwer ran und die Spitzen Enden sind sehr empfindlich. Aber gut, Neues muss man mal probieren... Das nächste Projekt ist eine Kommode mit Schiebetüren - hatte ich auch noch nicht.

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teluke

ww-robinie
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Könnte ich, mit Handwerkzeug, nicht bauen.
Also Hut ab.
Nur die noch sichtbaren Bleistiftstriche solltest Du noch entfernen.
 
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Das Schränkchen gefällt mir sehr gut. Materialmix und handwerkliche Ausführung sind dir wirklich gut gelungen. Gratulation und viel Freude beim täglichen Betrachten.
 

inselino

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Sieht echt Klasse aus. Ich hatte erstmal überlegt, ob das technisch nicht falsch ist, denn es sieht ja so aus, als könne man die Platte vorne einfach abziehen. Klar der Leim hält das aber die Idee bei Schwalbenschwänzen ist ja, dass die Verbindung die Kraft übernimmt und es theoretisch sogar ohne Leim geht. Durch dieses schräge ineinander ist das aber ja gar nicht der Fall :emoji_slight_smile:
Wäre ja auch blöd wenn der besonders asthetische Teil dann an der Seite der Schublade verschwinden würde :emoji_grin:
 

Manohara

ww-robinie
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Hut ab!
Dieser Anmerkung schließe ich mich an.

Bei Design gibt es oft eine "Unterhaltung" zwischen Zweckmäßigkeit und Haltbarkeit auf der einen, Rafinesse und Besonderheit auf der anderen Seite.
Ich empfinde es ist ein Grenzfall. Zinkenverbindungen sind ja im Prinzip eine der schlauesten und stabilsten Holzverbindungen.
Hier hast Du die Eigenschaften der Verbindung überhöht und nach meiner Einschätzung die Haltbarkeit damit geschwächt.

Es hat sich gelohnt (ist absolut interessant geworden), aber als "Vorbild" für weirtere Experimente taugt es nur bedingt.

"Nur" wegen der Optik die Haltbarkeit zu opfern ist "bedenkenswert" ... finde ich aus dem Hintergrund :emoji_wink:

Das soll bitte nicht missverstanden werden. Ich habe Freude, es anzusehen!
 
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Es hat sich gelohnt (ist absolut interessant geworden), aber als "Vorbild" für weirtere Experimente taugt es nur bedingt.

"Nur" wegen der Optik die Haltbarkeit zu opfern ist "bedenkenswert" ... finde ich aus dem Hintergrund :emoji_wink:
Das Schränkchen ist ziemlich klein und die Schubladen wirklich Mini. Die genutzte Verbindung ist, meinem Empfinden nach, sogar überdimensioniert wenn man es aus dem Gesichtspunkt Haltbarkeit sieht. Die große Schublade wiegt geschätzt 2 Kilo. Wo sollen denn da so rohe Kräfte entstehen das sich die Verbindung lösen könnte? Beim aufziehen an den kleinen Rändelmuttern? Deine Bedenken würde ich bei einer 1m breiten Küchenschublade für Töpfe oder Geschirr verstehen. Zwanzig mal am Tag 50kg auf und wieder zu zerren ordentlich. Aber das Schränkchen kann man vererben.
 

Schraubzwinge894

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Schönes Design, coole Ausführung.
Mir persönlich ist die Grundkonstruktion durch die dicke Materialstärke etwas wuchtig, aber das ist Geschmackssache.

Sind die sichtbaren Striche Einkerbungen vom Streichmaß?

Wie viele Probestücke hast du gemacht? Oder haben die Schubladen auf Anhieb geklappt?

Wenn ich mir den Kontrast zwischen läng- und Stirnholz bei den normalen Schwalbenschwänzen anschaue, sollte das doch auch für den doppelten Sonnenaufgang ausreichen, wenn beide Seiten sichtbar sind. Wie du schon angemerkt hast, muss der Helligkeitsunterschied zwischendrin Hölzern sonst schon gravierend sein.
 

teluke

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Der TE ist, im Gegensatz zu mir, ein echter Hobbyist.

Er hat da ein schönes Teil gebaut. Ich weiß nicht ob ich das, mit Handwerkszeug, so hinbringen würde.
Würde er da jetzt seine Stunden ansetzen wollen wäre das völlig unrentabel.
Vermutlich hat er dazu länger gebracht als ich für eine ganze Küche brauche.

Aber das ist gut so, er ist halt ein echter Hobbyschreiner und auf das Ergebnis darf er stolz sein.

Bei mir muss auch das Hobby zielorientiert und rentabel sein.
Deswegen habe ich auch in meiner Jugend weder Fußball noch sonst einer Sportart gefrönt.
War für mich immer nur Zeitverschwendung.

Als, noch zu Beatles-Zeiten und später, meine Altersgenossen stolz waren auf jedem Tanzboden ihr Können zu zeigen habe ich in der Band gespielt welche die Musik dazu gemacht hat.
Ich bin danach nach Hause gegangen und hatte Geld verdient und die anderen haben Geld ausgegeben.
Trotzdem war das ein Hobby, aber halt kein Brotloses.
 

Wohnzimmerschreiner

ww-nussbaum
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Danke für die vielen netten Kommentare!
Schönes Design, coole Ausführung.
Mir persönlich ist die Grundkonstruktion durch die dicke Materialstärke etwas wuchtig, aber das ist Geschmackssache.

Sind die sichtbaren Striche Einkerbungen vom Streichmaß?

Wie viele Probestücke hast du gemacht? Oder haben die Schubladen auf Anhieb geklappt?

Wenn ich mir den Kontrast zwischen läng- und Stirnholz bei den normalen Schwalbenschwänzen anschaue, sollte das doch auch für den doppelten Sonnenaufgang ausreichen, wenn beide Seiten sichtbar sind. Wie du schon angemerkt hast, muss der Helligkeitsunterschied zwischendrin Hölzern sonst schon gravierend sein.
19 mm Materialstärke hätte wirklich nicht sein müssen. Fertige Leimholzplatten sind aber leider nicht in vielen Stärken verfügbar.

Die sichtbaren Kerben an der unteren Schublade sind entstanden, weil ich beim Anreißen mit dem Streichmaß Vorder- und Rückseite des Bretts verwechselt hatte. Zum Raushobeln zu tief, zum Neumachen fehlte das Material.

Probestücke mache ich eigentlich nie. Erscheint mir zu aufwändig. Mit den kleinen Schubladen mit nur zwei Zinken habe ich erstmal geübt, bevor die untere mit drei Zinken dran kam. Wenn eine der Verbindungen dann nicht perfekt wird, gehört das zum Möbel.

Bei reinen Eiche-Verbindungen finde ich den Kontrast manchmal ziemlich schwach, wenn dunkles Längsholz auf helles Stirnholz trifft.
 

Wohnzimmerschreiner

ww-nussbaum
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Hier hast Du die Eigenschaften der Verbindung überhöht und nach meiner Einschätzung die Haltbarkeit damit geschwächt.
Also nachdem was ich gelesen habe, „kann diese Zinkung stärkeren mechanischen Belastungen widerstehen als eine normale Schwalbenschwanzzinkung und bietet auch mehr Leimfläche als diese.“

Oder verstehe ich den Kommentar falsch?
 

Manohara

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Oder verstehe ich den Kommentar falsch?
nein, ich glaube Du hast mich richtig verstanden.
Mir geht es nicht darum, was zu beweisen, ich wollte nur eine Anmerkung machen, wie ich die Sache einschätze. ... mit deutlichem Respekt vor dem Ergebnis.
 

inselino

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Holzverbindungen können sich allein durch's Rumstehen lösen (oft an Bilderrahmen zu sehen).
Da braucht man nichts bewegen oder belasten ... Holz bewegt sich von allein.
FInde es ein bisschen Schade, dass das jetzt so ausgiebig diskutiert wird wo es von mir doch nur eine Erklärung war, dass mein Gedankengang da falsch lag denn es gibt ja durchaus Kraftübertragung durch die Form und es war eben eine rein theoretische Anmerkung, praktisch hat das keinerlei Bedeutung.

So viel KRaft wie man bei dieser Konstruktion bräuchte um die verleimte Verbindung auseinanderzuziehen, so viel bekommst du nicht in die Schublade rein und selbst wenn, würde dir eher der Boden durchbrechen, als dass diese Verbindung versagt.
Von daher kann man ohne schlechtes Gewissen die Stabilität der Verbindung zugunsten der Ästhetik verringern.
Machen wir bei jedem Objekt was ästhetischen Anforderungen genügen soll. Ein Holzklotz kann auch mehr tragen als eine Glasplatte mit drei bis vier Beinen da wir aber selten Elefanten auf Couchtischen abstellen ist das ein nachrangiges Problem :emoji_slight_smile:
 

flüsterholz

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@Manohara
Ich habe diese Verbindung selber schon gemacht. Die hält wirklich gut, auch ohne Leim. Das täuscht optisch. Auf Bild 7 ist zu erkennen, wie man die im 45° Winkel zusammenschieben muss. Nur so ist sie auch lösbar. In Richtung Auszug des Schubladens ist sie absolut fest.
@Wohnzimmerschreiner
Seeeehr schön geworden.
 

teluke

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Genau das war auch mein Eindruck dass diese Verbindung selbstsperrend ist und lediglich in 45° Richtung geöffnet werden kann.


Aber selbst Schwalbenschwänze sind ja nur in eine Richtung fix.
Kann ja auch nicht anders sein weil man es ja sonst auch nicht zusammenleimen könnte.
 
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