EGH-Urteil zum Widerrufsrecht

fahe

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Mit seinem Urteil [...] beantwortet der Gerichtshof [..] dahingehend, dass ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat[...].

Hier findet sich die Pressemitteilung des EGH zum Urteil.


Komische Blüten treibt das Rechtssystem mittlerweile. Im konkreten Fall hat ein Bauherr die Elektroinstallation seines Einfamilienhauses erneuern lassen, nachdem er vor Ort mit dem Handwerksbetrieb handelseinig war und mündlich beauftragt hatte. Der Handwerksbetrieb hat offensichtlich nicht erkannt, sich damit in der rechtlichen Würdigung in ein "Haustürgeschäft" zu manövrieren... und sich keine Widerrufserklärung unterschreiben lassen.

Also, in meiner Gegend klingeln die Betriebe nicht an fremden Türen und fragen, ob's vielleicht was zu tun gibt. Insofern wird der arme Eli wohl unzweifelhaft auf Ersuchen des Bauherrn vor Ort gewesen sein. Wie kann man so etwas als Haustürgeschäft werten? Ich finde es jedenfalls unglaublich, dass solche Leute dann damit durchkommen, wenn sie nach vollständiger Erledigung der Arbeiten die "Widerrufskarte" zücken.

Ein deutsches Gericht hatte dem Ansinnen des Bauherrn - ich würde so etwas ja Betrug nennen - zu widerrufen, Recht gegeben, hatte allerdings - muss man zur Ehrrettung sagen - wenigstens noch Restzweifel, weil der Auftraggeber ja unzweifelhaft "[...]einen Vermögenszuwachs [...] (erlangt), was dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, zuwiderliefe."

Jetzt hat das EGH die Restzweifgel final ausgeräumt... :emoji_joy:

Hier ist das Urteil:
https://curia.europa.eu/juris/docum...DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=1470194
 

Lorenzo

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Da fällt einem nix mehr ein zu so nem Irrsinn! Der Blitz soll den armen Kerl treffen der von dem Haustürgeschäft überrumpelt wurde..
Müssen jetzt alle Handwerker ihre Kundschaft zur Vertragsunterzeichnung in ihre Geschäftsräume bitten um so einen Ausgang abzuwenden?
 

joh.t.

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Da wir ja meist individuell fertigen ist es doch meist eine Sonderanfertigung.
Dann fällt das andere doch sowieso weg oder nicht?
 

Mitglied 30872

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Da wir ja meist individuell fertigen ist es doch meist eine Sonderanfertigung.
Dann fällt das andere doch sowieso weg oder nicht?
Das hat mit der Sonderanfertigung nichts zu tun, sondern schlicht mit dem Vertrag. Den kannst Du beim Kunden vor Ort anschließen, aber auch in Deinen Geschäftsräumen. Es geht in jedem Falle um die Widerrufsbelehrung.
Lies Dir das mal durch. Kam die Woche auch im DLF und vielleicht kommt so manch ein Auftraggeber auf solche Gedanken.
 

carsten

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Hallo

mein Nachbar hat Anfang des Jahres ein neues Fenster gebraucht. In der Auftragsbestätigung wurde auch auf die 14 Tage hingewiesen inkl dem Hinweis das die Produktionsplanung erst nach Ablauf der 14 Tage beginnt.
Gab direkt danach allerdings auch einen Punkt : "Verzicht auf den Widerruf.
 

wirdelprumpft

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Vielen Dank für die Information. Im Urteil wird das Fernabsatzgesetz erwähnt, was bedeutet, dass alles, was per E-Mail/Fax ohne Widerrufserklärung versendet wird, auch ungültig sein kann.

Ich plane, den Service der Handwerkskammer (HWK) in Anspruch zu nehmen und nachzufragen, wie man dies rechtssicher gestalten kann. Bisher habe ich meine Angebote und Auftragsbestätigungen per E-Mail verschickt und der Kunde hat sie ebenfalls per E-Mail zurückgesendet.

Es scheint, dass im ganzen Dschungel der Gesetze und Gerichtsurteile der gesunde Menschenverstand verloren geht.

Ich verstehe, dass der Kunde geschützt werden muss, wenn der Handwerker unangekündigt an der Haustür klingelt.

Auch wenn der Kunde den Handwerker zum Termin bestellt und dort unterschreibt, kann ich das noch nachvollziehen. Aber spätestens, wenn ich nach der Aufmaßnahme ein Angebot erstelle und der Kunde dann zusagt, indem er die Auftragsbestätigung zur Freigabe unterschreibt, und sich anschließend auf das Widerrufsrecht beruft, um die Leistung kostenlos zu erhalten, stimmt etwas nicht mehr.
 

brubu

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Hallo zusammen
Da stimmt wohl sehr viel nicht mehr. Also muss vor jeder kleinsten Servicearbeit zuerst der Papierkrieg erledigt werden. Und in Notfällen?
Wenn z.B. der Mieter oder Verwalter anruft und der Eigentümer nicht vor Ort ist? Also zuschauen, abwarten und dann irgendwann arbeiten.
Der gesunde Menschenverstand ist nicht nur verloren gegangen, diese Richter hatten ihn wohl noch nie.
Dann sollte der ELI die Installation fachgerecht beseitigen um einen Vermögensvorteil des "Betrügers" zu vermeiden.
Ich bin nicht in Deutschland und der EU aber der meiste Unsinn kommt früher oder später auch zu uns. Bei uns wäre es eher ein Werkvertrag und nicht ein Dienstleistungsvertrag, ob das einen Unterschied macht?
Gruss brubu
 

reo

ww-eiche
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Naja das ganze Wiederrufgedöngs gibts bei uns zum Glück „noch“ nicht. Ich verstehe sowiso nicht wie man jemals auf so was kommen kann. Ein Freund der in Konstanz Wohnt hat vor Jahren mal neue Boxen gekauft. Irgendwas um die 6000.-/Stück. Da bestellt man mal eben zwei Modelle und läst das was einem nicht gefällt nach zwei Wochen probehöhren wieder abholen. Also mich würde das ankotzen wenn ich dan der wäre welcher die schon gebrauchten Boxen bekomme. Wegwerfen wird die der Händler aber sicher nicht. Aber ja ist anscheinend so rechtens in Deutschland. Versteh ich absolut nicht wie man da mal so was verschieden konnte.
 

FredT

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EU bitte, und der Kunde im Fernabsatz sollte nicht schlechter gestellt werden als der im Direkthandel. Dort kannst du jedenfalls das zu erwerbende Produkt ansehen und prüfen. Das wollte man auch garantieren, wenn fern bestellt wird. Im Übrigen würde der ortsfeste Händler dann ja auch "gebrauchte" Boxen haben; die Verkaufsverpackung ist jedenfalls schon geöffnet und als Kunde habe ich keinen Einblick auf das vom Händler erklärte Blau vom Himmel....
 

uli2003

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Das hat mit der Sonderanfertigung nichts zu tun, sondern schlicht mit dem Vertrag. Den kannst Du beim Kunden vor Ort anschließen, aber auch in Deinen Geschäftsräumen. Es geht in jedem Falle um die Widerrufsbelehrung.
Das ist nicht richtig. Bei Sonderanfertigungen gibt es kein Widerrufsrecht, nicht einmal dann, wenn die Produktion noch nicht begonnen wurde, unabhängig davon, wie und wo der Vertrag geschlossen wurde.

Auch hier hat der EuGH entschieden.

EuGH, Urteil vom 21.10.2020, C-529/19
 

Mitglied 30872

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Das ist nicht richtig. Bei Sonderanfertigungen gibt es kein Widerrufsrecht, nicht einmal dann, wenn die Produktion noch nicht begonnen wurde, unabhängig davon, wie und wo der Vertrag geschlossen wurde.

Auch hier hat der EuGH entschieden.

EuGH, Urteil vom 21.10.2020, C-529/19
Stimmt, Du hast Recht.
 

wirdelprumpft

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Die Frage ist, ob beispielsweise eine zugekaufte Küche oder Türen als Sonderanfertigung betrachtet wird. Der Elektriker hat kein Geld erhalten, als die Hausinstallation erneuert wurde. Vermutlich wurden lediglich die Steckdosen, Schalter und Sicherungen ausgetauscht, wodurch nur Standardbauteile verwendet wurden. Es ist auch interessant zu wissen, ob eine selbstgefertigte Küche mit Standardmaßen als Sonderanfertigung gilt. Was ist mit bezogenen Möbeln, zum Beispiel von Speedmaster-Horatec?
 
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U.Tho

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Bin bloß froh, dass ich keine Privatkundschaft habe - so ein Zirkus.
(Heißt aber nicht, dass man beim B2B Geschäft nicht auch aufpassen muss.)
 

wirdelprumpft

ww-robinie
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In dem von fahe verlinkten Urteil wird ausschließlich von Dienstleistungen gesprochen.
hab meinen Text nochmal angepasst - meinte Baufertigteile die man einbaut bzw. was ist wenn der Kunde das Material stellt.
Gibt ja auch im Schreinerbereich vieles was Dienstleistung sein kann

Chatgpt schreibt dazu
Im Vertragsrecht wird eine Dienstleistung als eine Verpflichtung definiert, eine bestimmte Tätigkeit oder Leistung für eine andere Partei zu erbringen. Im Rahmen des Vertragsrechts können verschiedene Arten von Dienstleistungen vereinbart werden. Hier sind einige Beispiele:

  1. Reparatur- und Wartungsdienstleistungen: Wenn eine Partei einen Vertrag abschließt, um Reparatur- oder Wartungsarbeiten an einem bestimmten Gerät, einer Anlage oder einem System durchzuführen, wird dies als Dienstleistung im Vertragsrecht betrachtet. Ein typisches Beispiel wäre der Vertrag zwischen einem Hausbesitzer und einem Handwerker zur Reparatur der Heizungsanlage.
  2. Bauleistungen: Wenn eine Partei einen Vertrag abschließt, um den Bau oder die Renovierung eines Gebäudes oder einer anderen Struktur durchzuführen, wird dies als Dienstleistung im Vertragsrecht betrachtet. Dies umfasst die Errichtung oder Installation von Komponenten wie Elektroanlagen, Sanitäranlagen, Heizungs- und Klimaanlagen, Fenstern, Türen, Bodenbelägen usw.

auf jeden Fall drückt die KI alles recht schön aus ob das von der KI ausgegebene immer passt ist ein anderes Thema….
 

civil engineer

ww-robinie
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[*]Bauleistungen: Wenn eine Partei einen Vertrag abschließt, um den Bau oder die Renovierung eines Gebäudes oder einer anderen Struktur durchzuführen, wird dies als Dienstleistung im Vertragsrecht betrachtet. Dies umfasst die Errichtung oder Installation von Komponenten wie Elektroanlagen, Sanitäranlagen, Heizungs- und Klimaanlagen, Fenstern, Türen, Bodenbelägen usw.
Bin juristischer Laie, meine mich aber zu erinnern, dass die o. g. Leistungen doch eher nach Werkvertragsrecht zu beurteilen sind. Z. B. Fenster Einbau schuldet doch der Unternehmer einen Erfolg. Ein funktionierendes, den aaRdT entsprechendes hergestelltes und montiertes Fenster. Und nicht die Dienstleistung irgendwie ein Loch in der Mauer zu schließen.
 

depitter

ww-buche
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ist leider so, das an und für sich gute Dinge, von spitzfindigen Halunken ausgenutzt werden.
Ob Urheberrecht, Sozialstaat, Rückgaberecht oder Rechtsstaat, irgendeine hinterhältige Ratte findet etwas zum betrügen.
 

uli2003

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dass die o. g. Leistungen doch eher nach Werkvertragsrecht zu beurteilen sind.
Ganz klar ist das ein Werkvertrag. Geprägt als solcher durch die höher anzusetzende Dienstleistung gegenüber dem Materialanteil.
Das dürfte dann die fehlende Individualisierung sein, um es als Sonderanfertigung zu klassifizieren.

irgendeine hinterhältige Ratte findet etwas zum betrügen.
Interessant ist der Fall allemal - hätte der Bauherr wohl einen Rückzieher gemacht, wenn der Unternehmer ihm eine zu unterzeichnende Widerrufserklärung vorgelegt hätte?
 

Mitglied 30872

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... hinterhältige Ratte findet etwas zum betrügen.
Welche ein Unsinn. Wenn jemand eine (vermeintliche) Gesetzeslücke oder ein Versäumnis der Gesetzgebung nutzt, ist er nicht hinterhältig, sondern ein intelligenter Mensch, und auch kein Betrüger, da man ihn für sein Tun nicht bestrafen kann.
Ist es nicht vielmehr das eigene Nachsehen, was solche Gedanken treibt, weil man selbst nicht so pfiffig ist?
 

brubu

ww-robinie
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Hallo zusammen
Für mich sind solche "Vorgänge" eindeutig Tricksereien. Ob nun legal und gerichtlich abgesegnet oder nicht. Als Handwerker gehe ich von Treu und Glauben aus. Wer eine Leistung bestellt weiss, dass die nicht gratis ist. Wenn das alles nicht mehr gilt, gute Nacht. Dann führen wir lieber das Faustrecht ein dann wissen auch Trickser, dass es unangenehm werden könnte.
Abgesehen davon könnte man heute bei vielen Gerichtsurteilen auch würfeln wenn es nur noch Glücksache ist.
Trotzdem schönen Tag und Gruss
brubu
 

Mitglied 24010 keks

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Ich arbeite bei Neukunden nur noch gegen annähernd Vorkasse. Wenn die meinem Zahlungsplan nicht zustimmen, sollen sie sich halt wen anders suchen.

Wenn da dann einer meint er will sich streiten... Ist mir zum Glück noch nie passiert, aber dann lass den mal machen. Wenn ich 90% vom Geld schon hab, ja dann lass den Affen doch widerrufen... Das dauert dann auf jeden Fall erstmal...
 
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