Möbelbauer / Furniture Maker als Berufung (Interview, engl.)

MysteriumHolz

ww-robinie
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Hallo,

heute muss ich mit ein paar von uns wirklich hart ins Gericht gehen. Viele haben aus den Augen verloren, worum es geht, u.a. hier im Woodworker-Forum. Richtet den Blick doch bitte mal auf diejenigen, denen der Möbelbau wirklich im Blut liegt, die diese Kunstfertigkeit wirklich beherrschen.

Wenn man manchmal hört oder liest, wie leichtsinnig einige an den Möbelbau herangehen - wie uninspiriert, unvorbereitet. Dann wünscht man sich doch ab und zu ein Role Model, ein Vorbild.

Kann man sich denn ernsthaft dem Möbelbau widmen, wenn man ohne Leidenschaft "einfach drauf losbaut", vielleicht noch mit billigem Leimholz aus dem Baumarkt? Egal in welchem Bereich man sich umschaut, überall tummeln sich diese Menschen, Möbelbauer will ich sie gar nicht nennen. Sie spüren es nicht, sie fühlen es nicht, sie denken nicht nach. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie oft ich solche Beiträge noch lesen kann und will.

Es wird Zeit, dass sich eine neue Qualität einstellt. Es wird Zeit, dass sich mehr Menschen mit dem Kern auseinandersetzen, der dem Möbelbau innewohnt. Wie lebt es sich, wie arbeitet es sich, wenn man sich ganz dieser Profession des Möbelbaus verschrieben hat? Wenn man dieses einzigartige Dogma wirklich lebt, jeden Tag, jede Stunde, von Anfang an.

Jeder, der hier mitliest und gerade erst so ein Mö... nein, ein Projekt einfach hingerotzt hat ohne Verstand, soll sich an die eigene Nase fassen und endlich mal aufschauen zu den wenigen, die es wirklich verinnerlicht und verstanden haben.

Glücklicherweise gibt es sie noch, diejenigen unter uns, die dieser Profession, dieser Kunst sich von Anfang an zugewandt haben. Und von ihnen heißt es zu lernen! Jeder sollte sich mal eine Scheibe von jemandem abschneiden, der eben nicht losstürmt und Möbelstück für Möbelstück kunstlos zusammenzimmert, sondern sich wirklich dieser Kunst hingibt, jemand, der den Möbelbau lebt und auch aus der Tradition einer Familie heraus von Anfang an erlebt hat und diesem Beruf, nein dieser Berufung wirklich jeden Tag nachgeht.

Glücklich kann sich schätzen, wer sich selbst ein Stückchen wiedererkennt in einer Person, in einer Familie, die schon seit Generationen den Geist des Möbelbaus lebt und ihn weitertradiert. Richten wir den Blick dochmal in die USA, zumindest dort gibt es solche Leute noch.

Hier ein Interview:
Ryan Thompson. Furniture Maker.

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=5Hk4noi76Xw]I Am A Furniture Maker - YouTube[/ame]


Beste Grüße


Das "Mysterium Holz"
 

Holz-Christian

ww-robinie
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Hallo Mystherium.

Das ist ja harter Tobak, den Du servierst.
So mancher User hier hat einfach seinen Spass am Holzwerken.
Sicher ist ein aus Palettenholz und Lamellos gebautes Regal nicht der Gipfel der Möbelbaukunst.
Die meisten haben einen anderen Beruf, in dem sie oftmals top sind.
Es kann nicht jeder alles können, wäre ja langweilig.
Ich persönlich gebe hier auch gerne weiterhin gerne Hilfestellung wenn ich kann.

In einem Punkt muss ich Dir rechtgeben:
Es muss ein Umdenken stattfinden, vor allem in der Bevölkerung:
Das man sich beim Kauf von Ikea oder ähnlichen Möbeln langfristig den Ast absägt auf dem man hockt.
Leider schlafen die Leute in Handwerkskammern, Innungen und Verbänden.
Ein Oranger Würfel und peinliche Werbespots verhelfen keiner Schreinerei zu mehr Aufträgen.
Zumindest bei uns ist es so, das die größten Nieten im Vorstand der Innung hocken.
Das wahre Leistungsspektrum dieses Handwerks ist leider immer weniger Menschen bekannt.

Gruss Christian.
 

Hamburger Jung

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Hallo Christian,
bis auf einen Punkt muß ich Dir Recht geben.
Ich habe nämlich das Gefühl, dass die größten Nieten in unserer HWK sitzen
 

Sägenbremser

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Wo hast du den das gefunden, herrlich:emoji_slight_smile:

Fast wie in der Malerei, das wahre Bild braucht keine
Abbildung mehr, es ist einfach in uns vorhanden.

Bei so einem Bett/Stuhl +Tisch ist das leider noch immer
mit etwas Umstand zu handhaben, aber es wird auch gehen.
Die Impro- Teatherspielgruppen werden sich über den regen
Zulauf freuen können, mein Physiotherapeut wird frohlocken.

Gruss Harald
 

MysteriumHolz

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Lieber Holz-Christian,

es tut mir jetzt leid, ich bin offensichtlich übers Ziel hinausgeschossen bzw. am Ziel vorbei. Jetzt muss ich den Spaß-Ton verlassen und erklären:

Ich wollte nämlich eigentlich nur im Text einen "Teaser" für das satirische Video verfassen, welches ich heute zufällig entdeckte. Ich bin kläglich gescheitert... sorry. Ich wollte niemanden angreifen.

Im Video macht man sich, in meiner Interpretation, u.a. darüber lustig, wie manche Schreiner, Tischler, Möbelbauer, Furniture Maker sich selbst darstellen - mit einem Hauch mysterischem Tischler-Esoterik (erinnert mich an irgendeinen dämlichen Nutzernamen, den man hier im Forum manchmal liest... welcher Nutzername das war habe ich grad vergessen... :emoji_slight_smile: ).
Sahnehäubchen dabei ist sicher auch ein manchmal sinnfreier Hinweis auf eine Tischlertradition über Generationen. Mein Großvater z.B. war begnadeter Schlosser, aber das hat mit mir nicht viel zu tun. Ist vielleicht zu früh gestorben, um mir noch was beizubringen, aber warum sollte jemand, dessen Vater Schneider oder Kaufmann war, nicht trotzdem ein begnadeter Möbelbauer werden können?

Tatsächlich erinnerte mich diese satirische Selbst-Darstellung in dem Youtubevideo an so manches andere Youtube-Video, in denen mit der eigenen Kunst, Kunstfertigkeit und jahrzehntelangen Erfahrungen geprahlt wird, und tatsächlich vielleicht noch auf Vater, Großvater und Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater König Arthus mit seiner selbst geschreinerten Tafelrunde verwiesen wird.

Wer wird also hier dargestellt und eigentlich kritisiert - es sind Leute, die sich abschätzig denen gegenüber zeigen, die eine andere Vorstellung vom Möbelbau haben.
Konkret im Video:
Der Interviewer ist Ziel eines abschätzigen Angriffs seitens des Interviewten. Der Interviewer sei nicht in der Lage zu verstehen, worum es gehe beim Möbelbau ("furniture making"), während der Interviewte zugeben muss, in 18 Jahren Tätigkeit als Möbelbauer ("furniture maker") nicht ein Möbelstück fertig gebaut zu haben. Lautmalerisch: NICHT EIN EINZIGES MÖBELSTÜCK. IN ACHTZEHN JAHREN.

Ich selbst fühle mich (ein klein bisschen) ertappt im Werkzeug"fetischismus". Ich bin nicht solvent genug, um mich mit dem Festool-Katalog-Inhalt von oben bis unten einzudecken, aber irgendwie doch zumindest viel zu sehr am Lesen von Foren, Anschauen von Videos und dem ständigen Hin- und her "welche ist die beste Säge, japanisch oder Gestellsäge oder doch ein Fuchsschwanz? Brauch ich eine Mikrosäge oder besser zehn verschiedene für Schwalbenschwanzzinken oder vielleicht doch eine Zinkenfräseinheit für die Oberfräse?"

In letzter Zeit ging es hier im Forum ja auch oft genug um "die richtige Oberfräse" Allround oder besser gleich 2 oder 3. Muss es Festool oder Mafell sein, oder reicht, oh Schreck, die Perles oder gar die Bosch in grün. Die Gedanken kenne ich selber auch und wage es daher nicht, sie zu verurteilen, aber irgendwann kommt ja jedermal dazu, sich davon zu lösen. Alle bis auf den Herrn Thompson in dem Interview im Video.

Wenn ich Baumarktholz erwähne, könnte ich genausogut die Baustellen-Rali-Hobel erwähnen, die natürlich keinen Vergleich überleben zu den teuren Veritas- oder Lie Nielsen-Hobel.

Aber was ist die Quintessenz, wenn man alle Magazine liest, sämtliche Bücher, alle Foren durchliest und alle Videos anschaut und die Werkzeugkataloge der Premiumhersteller rauf- und runterkauft - oder zumindest auswendig lernt?
Richtig, man vergeudet manchmal richtig viel Zeit, in der man genausogut eine Garderobe, ein Himmelbett, einen Einbauschrank, eine Hundehütte oder ein ganzes Haus bauen könnte.
Oder andersherum - vielleicht könnte man gar nicht, weil nur die etwas können, die auch wirklich was tun. Jemandem, der's drauf hat, dem gibt man oben beschworenen Rali-Hobel in die Hand, ein paar alte Stechbeitel, eine Säge und der wird tatsächlich hübsche Möbel damit bauen, anstatt lange zu fackeln.
Und ja, mir ist klar, dass es genug Leute gibt, z.B. hier im Forum, die tolles Werkzeug besitzen, viele Foren und Bücher lesen, vielleicht sogar noch die Zeit finden nebenher einen Blog zu führen - und obendrein auch noch tolle Möbel bauen. Das streite ich auch niemandem ab, gibt ja hier im Forum schon Beispiele dafür.

Ich habe nichts gegen Leute, die Baumarktholz verwenden, aus welchen Gründen auch immer.
Umgekehrt wird ein Schuh draus., ich habe größten Respekt vor allen, die Tolles schaffen - teils mit minimalem Werkzeug, ohne esoterisches Gerede über den spirituellen Part des Möbelbaus, ohne langatmige Selbstbeweihräucherung der unendlich langen Tradition der Familienchronik, ohne Verächtlichkeit gegenüber allen anderen, die den eigenen Vorstellungen nicht entsprechen. Und ohne Holz, das von Jungfrauen bei Vollmond gefällt wurde vor mind. 300 Jahren, sondern eben vielleicht tatsächlich mit dem einzigen, was leicht zur Verfügung steht: Baumarktholz.
Da ich nicht zuviel vom Video verraten wollte, habe ich die Thematik "Baumarktholz" in meinem Text übrigens hinzuaddiert, das Thema kommt im Video selbst nicht vor, es passte für mich nur gerade zum Thema. Ich nehme an, dass so gut wie jeder ab und zu für gewisse Zwecke schon allein wegen der dort leicht verfügbaren Kleinstmengen irgendwas mit Baumarktholz baut, und seien es nur Werkstattvorrichtungen oder -möbel.

So mancher User hier hat einfach seinen Spass am Holzwerken.
Sicher ist ein aus Palettenholz und Lamellos gebautes Regal nicht der Gipfel der Möbelbaukunst.

Ich hoffe ich konnte jetzt klarstellen, dass ich niemanden verurteile, der wenig Erfahrung hat (dazu zähle ich mich selbst!), der Baumarktholz kauft und daraus Möbel baut, das war und ist nicht in meinem Sinne.
Ich sehe das nicht so, wie ich suggeriert haben könnte:
Nach Lamello kommt Taschenlochbohrungsschraube, nach Taschenlochbohrung kommen Nagel & Hammer, nach Nagel & Hammer kommt die Nagelpistole? Das hat meiner Meinung alles seine Berechtigung, genauso wie Baumarktholz. Ich respektiere alle, die sich davon vielleicht angewidert fühlen - ich gehöre aber nichtmal dazu und hoffe selbst auf weitestgehende Toleranz. Ich liebe meine Flachdübelfräse, die ist so einfach zu bedienen und das Ergebnis schnell zufriedenstellend.

Es kann nicht jeder alles können, wäre ja langweilig.
Ich persönlich gebe hier auch gerne weiterhin gerne Hilfestellung wenn ich kann.

Genau wegen dieser Einstellung ein dickes Dankeschön!

Ich habe mich wirklich um Kropf und Kragen geschrieben offenbar, ich bitte um Entschuldigung.
 

Holz-Christian

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Hallo Christian,
bis auf einen Punkt muß ich Dir Recht geben.
Ich habe nämlich das Gefühl, dass die größten Nieten in unserer HWK sitzen

Hallo Sven.
Hätte unsere HWK nicht einen sehr kompetenten Finanzberater, würde sie der Innung glatt den Titel für die größten Nieten streitig machen.:emoji_wink:
Erschreckend, welche Typen sich in den Prüfungsausschüssen für Gesellen und Meister wichtig machen.
Gibts bei euch im Norden auch den orangen Würfel und peinliche altbackene Werbespots als "Erkennungszeichen" des Schreiner/ Tischler Handwerks?
Jedenfalls tun die oberen unserer Innung alles dafür, daß das Klischee des unpünktlichen, dreckproduzierenden pfuschenden Schreiners nicht aussterben zu lassen.
Daran wird sich aber so schnell nichts ändern, da die Vorstandsämter quasi immer weitervererbt werden.

Gruss Christian.
 

Holz-Christian

ww-robinie
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Hallo Mysterium.

Ich bin des englischen nicht so sehr mächtig, darum habe ich nicht alles in dem Video verstanden.
Vielleicht hättest Du gleich auf den Ironiemodus hinweisen sollen, jetzt versteh ichs auch.:emoji_grin:

Gleichzeitig spiegelt sich in dem Video auch die Situation in oben genannten Innungen, Handwerkskammern und Verbänden wieder.
Nichts gegen Tradition, im Gegenteil.
Aber Tradition bedeutet nicht das Hüten eines Flämmchens, sondern die weitergabe des Feuers.

Gruss Christian.
 

Mathis

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Im Dorf in 'ner Stadt
Ich habs mir angesehen, zuerst den Kopf geschüttelt und dann gedacht: will der Knabe uns alle auf den Arm nehmen?

Die sehr manirierte Art zu sprechen, die Gestik, die Aussagen: alles scheint entweder extrem verstrahlt zu sein oder eben ironisch bis sarkastisch.

Ich habe mich dann für die letzte Sichtweise entschieden.


.
 

uli2003

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Hätte unsere HWK nicht einen sehr kompetenten Finanzberater, würde sie der Innung glatt den Titel für die größten Nieten streitig machen.
Erschreckend, welche Typen sich in den Prüfungsausschüssen für Gesellen und Meister wichtig machen.
Gibts bei euch im Norden auch den orangen Würfel und peinliche altbackene Werbespots als "Erkennungszeichen" des Schreiner/ Tischler Handwerks?
Jedenfalls tun die oberen unserer Innung alles dafür, daß das Klischee des unpünktlichen, dreckproduzierenden pfuschenden Schreiners nicht aussterben zu lassen.
Daran wird sich aber so schnell nichts ändern, da die Vorstandsämter quasi immer weitervererbt werden.

Alter Schwede, ich hoffe nicht, dass es bei euch wirklich so ist.

Ich oute mich jetzt mal als 25-jähriges Prüfungsausschussmitglied, Vorstandsmitglied der Tischlerinnung, Mitglied der Vollversammlung der HWK.

Ich finde es immer traurig, so etwas lesen zu müssen. Unser Vorstand ist alt bis jung besetzt, der Obermeister ist 45 - finde ich nicht alt.

Der Prüfungsausschuss ist ebenfalls nicht alt, im Mittel vielleicht 45. Wir versuchen natürlich den Möbelbau weiterzugeben, allerdings ist die Lehre eine Vorbereitung auf das kommende Erwerbsleben - und da ist der 'klassische' Möbelbau nicht, bzw. sehr gering gefragt.

Die Zeiten ändern sich halt.

(Die Werbung finde ich zeitweise auch etwas altbacken, ist aber ganz klar auf dem Weg der Besserung. Den orangenen Würfel finde ich persönlich gar nicht schlecht)

Grüße
Uli
 

Holz-Christian

ww-robinie
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Hallo Uli.

Glaub mir, bei uns ist das wirklich so.
Die Posten in Prüfungsausschüssen, Innung und Handwerkskammer sind an Leute vergeben, die zuhause im Betrieb nichts auf die Reihe kriegen, zum Teil schon übernommene Betriebe in Konkurs gebracht haben.
Und die jeweiligen Angestellten um etliche Monatsgehälter.

Aber die sind halt rhetorisch Topp.
So mancher Geselle würde diese Leute rein fachlich in Grund und Boden arbeiten.
Und so mancher Geselle wäre wesentlich prädestinierter für einen Prüfungsausschuss als manch ein Meister.

Gruss Christian.
 

uli2003

ww-robinie
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Bei Interesse muss man sich halt kümmern. :emoji_slight_smile:
Der Andrang in den Prüfungsausschüssen hält sich auch in Grenzen. Mit 50 wollte ich auch aufhören, mal sehen obs klappt.

Bei den Prüfungen sind ja Lehrer, Gesellen (Arbeitnehmervertretung) und Meister (Arbeitgebervertretung) zu gleichen Teilen anwesend. Das gleicht sich ganz gut aus.

Grüße
Uli
 

Holz-Christian

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Hallo Uli.

Unser Obermeister ist mitte 60, betreibt seine runtergewirtschaftete Schreinerei seit Jahrzehnten als kostspieliges Hobby;
Er hat ja eine gut verdienende Frau.
Der Rest der Führungsmannschaft ist nicht viel besser.
Ich habe in der Vergangenheit mehrfach versucht mich zu engagieren.
Ich bin an den festgefahrenen Strukturen der "alteingesessenen" abgeprallt.

Auf regionalen Messen präsentiert sich die Schreinerinnung wie folgt:
Alte Hobelbank, darauf ein uraltes vergilbtes Treppenmodell nebst einem drittklassig zusammengezinkten Fußschemel.
Daneben eine Liste der Ausbildungsbetriebe.
Das ganze flankiert von selbstgefällig grinsenden "Obermeistern" mit orangen Kravatten.

Da mittlerweile reihenweise die Mitglieder davonlaufen, wurden in jüngerer Vergangenheit mehrere Bauelementehändler mit Montageservice in die Innung aufgenommen.
Mit der Folge, das noch mehr austreten.

Also ziemlich verfahren das Ganze.

Gruss Christian.
 

MysteriumHolz

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Funktioniert so eine "romantische" Schreinerei eigtl. in Deutschland auch noch oder kann sowas nur in den USA oder ein paar ausgewählten anderen Ländern funktionieren?
 

Keilzink

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Funktioniert so eine "romantische" Schreinerei eigtl. in Deutschland auch noch oder kann sowas nur in den USA oder ein paar ausgewählten anderen Ländern funktionieren?


... das ist nicht "romantisch", sondern authentisch!
Die bauen dort in New Hampshire (an der Ostküste der USA) diese Möbel weitgehend so, wie die Originale aus der entsprechenden Zeit. Das heisst, man erwirbt für immens viel Geld eine authentische, aber nagelneue Antiquität.
Hier funktioniert "Wertschöpfung" auf höchstem Niveau - und zwar gleichzeitig auf ideeller wie wirtschaftlicher Ebene.
Ob es dafür zahlende Kunden gibt? Ja, natürlich. Und natürlich in begrenzter Zahl und nicht überall. Und deshalb auch bei uns.

Andreas
 

uli2003

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Mein Geschmack ist so etwas überhaupt nicht, ich bin deutlich moderner eingestellt.

Ob das funktioniert? Möglicherweise. Einige wenige gut zahlende Kunden lassen sich vielleicht noch Möbel in dem Stil anfertigen.

Macht sich eigentlich noch jemand Holzspeichenräder ans Auto, weil es so schön authentisch ist?
 

Keilzink

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... Mensch Uli: Da kommt ihr Tischler her, auf den Erfahrungen der Menschen, die diese Techniken entwickelt haben, fusst doch euer Handwerk. Oder anders gesagt: Auf deren Schultern steht ihr heute.
Nur ein Beispiel: Moderne Holzwerkstoffe. Der erste Ausgangspunkt dafür: Die Tischlerplatte. Und weshalb heisst die so? Nicht nur weil Tischler sie entwickelt haben - aufgrund ihrer Erfahrungen mit Vollholz, sondern auch, weil die Tischler diese Platten früher selber hergestellt haben, bevor es dann in die industrielle Produktion ging.

Kann ja sein, dass es bei euch Tischlern anders ist. Aber ich habe auch ein Handwerk gelernt, habe 30 Jahre davon gelebt. Immer selbstständig bzw freiberuflich. Am Anfang war es schwer, später wurde ich immer besser, dann lief es längere Zeit ganz gut. Aber richtig gut bin ich selber erst geworden, als ich mich mit den Techniken der Alten auseinandergesetzt habe - da habe ich dann begriffen, um was es eigentlich geht. Damals musste ich alles aus Büchern lernen, weil diese Techniken und Denkweisen inzwischen von "schnell und billig" abgelöst worden waren. Ich hätte damals einiges darum geben, wenn es noch Leute gegeben hätte, die die alten Technike weiter praktiziert hätten. Ihr habt das - und wisst es nicht zu schätzen? :confused: :emoji_wink:


Andreas
 

uli2003

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Das ist ansatzweise richtig Andreas, aaaber:

Ich wehre mich dagegen zu behaupten, dass die Techniken unserer Vorfahren die einzig richtigen und wahren sind. Wenn sie auch aus ihren Möglichkeiten sehr viel gemacht haben.
Weiterentwicklung ist aber auch eine unserer Pflichten.

Und ganz ehrlich - ist ein Blum Movento Auszug ein Rückschritt gegen eine klassische Führung?
Wer braucht gezinkte Schubkästen? Das Zinken stammt aus der Zeit der fehlenden, brauchbaren Kleber, wird aber heute aufgrund der Optik hochgehalten. Das war nie der Zweck!
Design ändert sich, Materialien ebenso. Warum dem Fortschritt verschließen?

Ich sage ja nicht, das alte Techniken vergessen werden sollen, aber das tägliche Brot des Tischlers sind sie nicht mehr. So romantisch sie auch zu sein scheinen.

(Ich habe auch mit Kunden zu tun, die Möbel oben genannter Art für teures Geld kaufen - du glaubst nicht wie pingelig die heute sind..)

Grüße
Uli
 

predatorklein

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Moin

Wer braucht gezinkte Schubkästen? Das Zinken stammt aus der Zeit der fehlenden, brauchbaren Kleber, wird aber heute aufgrund der Optik hochgehalten. Das war nie der Zweck!

Meine Rede :emoji_slight_smile:

Das " Bild " vom Schreiner hat sich gerade in den letzten 20 Jahren stark verändert.
Und das Ende ist noch nicht erreicht.
" Spezialisierung " heisst das Zauberwort , genau wie in dem Video gezeigt.

Dabei spielt es erstmal keine Rolle ob ich originalgetreue Möbel nach alter Tradition baue , Parkettböden verlege oder Hauseingangstüren produziere und montiere.
Da kommen dann die persönlichen Vorlieben ins Spiel :emoji_wink:

" Spezialisten " werden überleben , die " Meister Eder " Schreinereien werden vom Markt verschwinden .
Einfach weil man damit heute kaum mehr überleben kann.

Gruß
 

michaelhild

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Dann wird aber bald der Beruf des Schreiners verschwinden und durch z.B. Montagemechatroniker oder Korpusmonteur ersetzt.

Wenn man die ganzen klassischen und aufwendigen Sachen nicht mehr braucht, sprich das was einen Schreiner ausmacht, braucht man auch keinen echten Schreiner mehr.
Schubladen auf Stoß verleimen oder einen Auszug im System 32 in einen Korpus schrauben, das kann auch ein Montagehelfer. Die Teile kommen ja eh passend aus der CNC.

Jetzt mal etwas überspitzt ausgedrückt.
 

Holz-Christian

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Dann wird aber bald der Beruf des Schreiners verschwinden und durch z.B. Montagemechatroniker oder Korpusmonteur ersetzt.

Wenn man die ganzen klassischen und aufwendigen Sachen nicht mehr braucht, sprich das was einen Schreiner ausmacht, braucht man auch keinen echten Schreiner mehr.
Schubladen auf Stoß verleimen oder einen Auszug im System 32 in einen Korpus schrauben, das kann auch ein Montagehelfer. Die Teile kommen ja eh passend aus der CNC.

Jetzt mal etwas überspitzt ausgedrückt.

Hallo Micha.

So überspitzt ist das gar nicht.
Ich bin der Meinung, daß sich das Handwerk viel zu sehr vor den Karren der Industrie spannen hat lassen.
Spanplatte und Blum Movento sind ja nicht grundsätzlich schlecht.
Aber Möbel, die mal zu Klassikern werden lassen sich daraus nicht bauen.

Leute, die bei Ikea kaufen gewinnt man ohnehin kaum als Kunden.
Aber Leuten, die etwas mehr für eine Einrichtung ausgeben wollen muss man halt auch etwas anbieten können, was sich von der Masse der Möbel/Bauelementeindustrie abhebt.
Wer heute sein Einkommen mit immer mehr Laufmeter Spanplatteneinbauschränken bestreitet wird über kurz oder lang das Rennen gegen die Industrie verlieren.

In meiner Gegend gibt es ja wie der Name schon sagt sehr viel Wald.
Mit vielen Privatwaldbesitzern.
Und da zeichnet sich glücklicherweise seit ein paar Jahren wieder vermehrt der Trendt ab, daß sich die Leute vom eigenen Holz etwas machen lassen.
Und solche Sachen lassen sich oftmals vererben.

Ich habe von meiner Großmutter noch zwei Schreinergefertigte Küchenkommoden.
Dazu ein Tisch mit Stühlen.
Das ganze hat etwa 70 Jahre in einer großen Familie auf dem Buckel, und ist immer noch zeitlos schön.
Die holzgeführten Schubläden waren etwas zugelaufen, die hab ich letzten Winter wieder aufgedoppelt.
Ob ein Blum Movento auch so lange hält?
Eher nicht.
Wenn nach 10 Jahren irgent eins der filigranen Plastikteile abbricht kann man ihn wegschmeissen.

Gruss Christian.
 

uli2003

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Wovon willst du denn später leben, wenn du all deine Kundschaft mit ewig haltenden Möbeln ausstattest? Mal davon abgesehen, dass die Kundschaft für klassisch geführte Teilauszüge verdammt selten sein dürfte.

Ich denke schon dass es die Tischler-Handwerksbetriebe weiter geben wird. Spezialisierung war schon vieler Tod.

Sicher regional verschieden, aber das Rumreiten auf Zinken&Handhobel ist sicher der falsche Weg.
Der gesunde Mix aus Altem und Neuem macht's.

Grüße
Uli
 

Sägenbremser

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So ganz verstehen tue ich diesen Disput in der
Konzentrierung auf einige Verbindungstechniken
vs. zeitgeläufigen Ausführungen nicht wirklich.

Das wirkliche Merkmal eines vom Tischler erstellten
Möbel/Bauteil ist in meinem Verständnis immer noch
die vom Kunden gewünschte Ausführung. Da wir hier
in Europa ein recht breit aufgestelltes Verständnis für
Form und Funktion im Laufe der Zeiten erleben konnten,
sind unsere Abnehmer zum Glück doch auch etwas mehr
auf ihre persönlichen Vorlieben ausgerichtet.


Wer hier aktualisierte Antiquitäten haben möchte, der wird
auch einen zuverlässigen Betrieb finden der sie liefern kann.
Schon das breite Angebot in Bayern an traditioneller Bauform
und Gestaltung spricht doch sehr dafür, das es auch mit einem
ordentlichem Gewinn möglich ist, solche Bauteile zu erstellen.
Persönlich fand ich das einige Jahre recht angenehm, nur war
dabei mein eigenes Formgefühl nicht wirklich zufrieden gestellt.

Bei der Ausführung solcher Möbel, wie sie nicht nur in Hampshire
und England erstellt werden, sollte auch der Tischler seine Form
der Befriedigung seiner Handwerksauslegung finden, ansonsten
würde er sich auf Dauer eher prostituieren. Solcher Möbelbau kann
für jemanden eine zeitlang sehr befriedigend sein, mancher findet
in der Pflege des händischen Gebrauchs sicherlich auch seine eigene
Berufung und kann bei der Bereitschaft seiner Abnehmer diesen
Schaffensprozess angemessen zu honorieren, auch eine Werkstatt
damit am Leben erhalten, ich habe den Spagat nicht geschafft.

Erst der Verkauf, Fertigung und die Marktanbindung im breiteren
Konsumerbereich haben mich wieder aufatmen lassen können.

Im Klartext heisst das - nach 6 Jahren Tischlertraum hat mich ein
freundlicher Steuerberater auf die dringend nötige Gewinnsituation
aufmerksam gemacht, ich war an der Grenze der Liebhaberei und
auch besorgte Freunde hatten echte Sorge um mein Wohlergehen.

Ich kann nicht beurteilen wie solche Arbeiten in anderen Ländern
gehandhabt werden, aber hier gibt es eine vom Gesetzgeber recht
sicher formulierte Form der gewerblichen Ausübung von Leistungen,
die ich mir in der gezeigten Form eher im Bereich der Kunst so vor-
stelle. Selbst einen 1- mannbetrieb kann ich mir so nur schwer in
unserer Erwerbswelt vorstellen. Auch für den einen Handwerker ist
es aus familiärer Verpflichtung schon existenzsichernd für seine nicht
vorhersehbaren Ausfallzeiten Vorsorge treffen zu müssen, wie soll das
den funktionieren wenn alle Verpflichtungen an deinen zwei Händen
ausgerichtet worden sind?

Eine berufliche Selbständigkeit kann jeder aufnehmen, da gibt es kaum
Einschränkungen für, eine unternehmerische Handlungsaufnahme ist
aber immer an die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern gebunden.
Wer meint seinen Traum ohne Mitarbeiter umsetzen zu können, träumt!
Die Auftragsgrössen sind dabei recht klein und er ist mehr als jeder andere
auf das persönliche Wohlgefallen seiner Auftraggeber angewiesen. Für mich
kein gerade erstrebenswerter Ansatz. Hat ein wenig vom Hofnarren an sich.

Gruss Harald
 
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